Gerade als Alleinerziehende braucht man ein gutes Netzwerk

Nach einer schweren Erkrankung musste ich vor Kurzem für einige Zeit in die Reha. Da ich keine Verwandten habe, die sich um meine Tochter hätten kümmern können, hat eine ebenfalls alleinerziehende Freundin sie 4 Wochen aufgenommen und für die Betreuung rund 1.600 € (bei 10€/Stunde) von der Versicherung bekommen.
Ich hab mir das dann mal ausgerechnet. Wenn ich dieses Geld auch bekommen würde, wären das für die letzten 12 Jahre, in denen ich meine Tochter allein groß gezogen habe, ungefähr 250.000€. Eine Riesensumme, aber für die Leistung und den Einkommensverlust durch Teilzeitarbeit und Karriereknick absolut angemessen. Das ist das Gender Care Pay Gap!
Mir wäre ja schon geholfen, wenn ich für diese 250.000 € zusätzliche Rentenpunkte bekommen würde. An meine Altersvorsorge trau ich mich nämlich wirklich nicht zu denken. Dabei habe ich immer so viel gearbeitet, wie es die Betreuungssituation zuließ, zurzeit ca. 80%.

#unverSichtbar: Viktoria

Viktoria
vorgestellt von Lena

Mit meiner Tochter bin ich von Beginn an alleine. Der Vater hat mich kurz vor der Geburt verlassen. Von ihm haben wir keinerlei Unterstützung bekommen. Den Mindestunterhalt musste ich einklagen, aber inzwischen zahlt er den auch nicht mehr. Meine Familie lebt rund 500 Kilometer entfernt und meine Mutter ist selbst auf Hilfe angewiesen. Es hängt also alles an mir alleine.

Ich bin gerne Mutter. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch sagen darf, dass der Großteil am Muttersein auch einfach Arbeit ist, die häufig auch wenig erfüllend oder spaßig ist. Für mich alleine würde ich vieles zumindest nicht machen. Zum Beispiel das Aussortieren alter Kleidung oder der Besuch von Elternabenden – muss man das wirklich gerne machen? Das ist einfach Arbeit. Und: Anders als bei der Erwerbsarbeit oder bei Hobbys geht’s nicht um mein Interesse, sondern es sind einfach Notwendigkeiten, die gemacht werden müssen.

Anerkennung für meine Leistung erfahre ich schon. Oft ist die Anerkennung jedoch verbunden mit einer Art Warnung. Das liegt vor allem daran, dass ich mich auch ehrenamtlich in Gewerkschaft, Sportverein, Elternbeirat und Kirche einbringe. Oft höre ich dann Sätze wie: „Wie gut deine Tochter durchkommt. Aber musst du denn wirklich noch in der Kirchengemeinde mithelfen?“. Ja, ich will das. Denn es erfüllt mich und ich sehe die gesellschaftliche Notwendigkeit. Ich hoffe auch politische Veränderungen anstoßen zu können und ich möchte Alleinerziehenden eine Stimme geben. Zum Beispiel im Elternbeirat. Hier ging es vor allem um Fragen rund um die Dekoration der Kita. Für mich als Alleinerziehende sind aber Fragen rund um „hard facts“ wie Öffnungszeiten oder die Ernährung viel wichtiger gewesen. Klar, dass ich mich hier einbringen musste.

Für mich sind die Netzwerke, die ich mir über mein ehrenamtliches Engagement schaffe, außerdem sehr wichtig. Wer viele Leute kennt, kann auch viel über Beziehungen organisieren – sowohl beruflich, als auch privat. Wie gesagt, meine Familie wohnt sehr weit entfernt. Aber jede*r braucht mal Hilfe. Als es das letzte Mal z.B. darum ging, zu organisieren, dass die Heizung abgelesen werden kann, war es hilfreich, dass ich guten Kontakt zur Kirche habe. Hier konnte ich meinen Schlüssel abgeben.

Ich würde sagen: Gute und viele Kontakte sind gerade als Alleinerziehende wichtig. Und es ist für Alleinerziehende besonders schwer diese aufzubauen und zu pflegen. Jetzt, nach 12 Jahren, kann ich zum ersten Mal wieder abends mit Freund*innen ausgehen. Auch das ist übrigens nur möglich, weil ich in einer WG lebe und jemand in der Wohnung ist, wenn meine Tochter schläft. Untervermietet habe ich, weil ich die Wohnung alleine nicht bezahlen könnte.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Ein-Eltern-Familie von der Politik bald nicht mehr als Sonderfall gesehen wird, sondern als normale Familienform. Und dass die enorme Mehrleistung, die hier in der Regel von Frauen geleistet wird, die entsprechende Anerkennung erfährt. Letztlich geht es ja darum, dass unser aller Kinder gleiche Chancen und Ressourcen haben.

#unverSichtbar-Aufruf

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