Sprachrohr sein
Ngoc Anh wuchs in Deutschland mit der deutschen Sprache und deutschen Werten auf, ihre Eltern lernten aber nur langsam Deutsch und hielten an vietnamesischen Werten fest. Deshalb erlebte sie als Kind viele Missverständnisse und Konflikte mit ihren Eltern, und sie wünschte sich oft ein “Sprachrohr”, eine außenstehende Person, die zwischen den Generationen und Kulturen vermitteln könnte. Nun ist die 27-jährige selbst eine solche Vermittlerin für andere geworden: Als sozialpädagogische Familienhelferin unterstützt sie vietnamesische Familien in Berlin.
Sie entschied sich, Soziale Arbeit zu studieren, nachdem sie ein Jahr freiwillig in einem Kindergarten und einer Schule in Vietnam gearbeitet hatte. Durch ihr Studium lernte sie, dass vieles, was ihr selbst als Kind widerfuhr, typisch für Einwanderungsfamilien ist. Der schulische Leistungsdruck etwa, den viele ehemalige Gastarbeiter ihren Kindern abverlangen. Oder dass sie als Kind oft elterliche Pflichten übernehmen musste – zum Beispiel Briefe und Anträge auf Deutsch zu übersetzen, die Eltern zu ihren Terminen begleiten, wenn Deutsch gesprochen wurde…. „Parentifizierung von Kindern“ nennt sich das und ist ein Beispiel dafür, wie Fürsorgearbeit in Familien auch mit vertauschten Rollen stattfindet.
Ngoc Anh Nguyen,
vorgestellt von Laura Mai Ehrich
Foto von Kien Hoang Le
Heute berät Ngoc Anh als Familienhelferin vietnamesische Eltern zu solchen Themen. Sie hilft in Fragen rund um Erziehung, Beziehungsaufbau zu ihren Kindern oder Alltagsgestaltung. Sie leistet dabei die emotionale Arbeit, die in vielen vietnamesischen Familien aufgrund des Leistungsdrucks und der sprachlichen Barrieren zwischen Eltern und Kindern zu kurz kommt. Fast 30.000 Menschen vietnamesischer Herkunft leben in Berlin, aber es gibt es bisher nur wenige Sozialarbeitende, die die Sprache sprechen.
Somit trägt Ngoc Anh dazu bei, dass es künftige Kinder vietnamesischer Eltern einfacher haben werden, als sie es hatte. Sie ist #unverSichtbar!