Gastbeitrag von Christine Finke.
Es ist, als seien wir unsichtbar. Genauso, wie die Sorgearbeit meist unsichtbar bleibt, weil sie nämlich nur auffällt, wenn sie nicht erledigt wird, und sich in Form von riesigen Wäschestapeln, einem leeren Kühlschrank oder zu kleinen Kinderklamotten zeigt, in die das Kind eigentlich nicht mehr reinpasst. Carearbeit ist unsichtbar, unbezahlt, und ungleich verteilt. Das stimmt soweit für alle, die den Löwenanteil der Sorgearbeit schultern.
Und jetzt kommt das aber – dass aber Alleinerziehende oftmals vor lauter Sorgearbeit überhaupt nicht zum Durchatmen kommen, weil ihnen nämlich neben der Sorgearbeit auch noch die Beschaffung des Familieneinkommens obliegt, wird kaum thematisiert.
Nicht nur sind alleinerziehende Mütter im Schnitt fünf Wochenstunden mehr als Frauen in Paarfamilien berufstätig – sie stemmen auch noch mehrheitlich die Sorgearbeit allein. Daran haben auch moderne Väter und erweiterte Umgangszeiten nichts geändert, und nach wie vor ist es so, dass zwei Jahre nach einer Trennung erschreckende 30-40% der Kinder den Kontakt zum Vater verlieren. Hilfe ist von dieser Seite also nicht zu erwarten, weder finanziell (nur 25% der Alleinerziehenden erhalten den ihnen fürs Kind zustehenden Unterhalt) noch in Sachen Sorge.
Und findet ein regelmäßiger Umgang der Kinder mit dem anderen Elternteil statt, dann geht’s dabei am Wochenende eher um Spaß als um Hausaufgaben und Zahnarztbesuche des Kinds. Dass ein Großteil der alleinerziehenden Eltern die Sorgearbeit komplett allein trägt, ist eine hohe Belastung, die überhaupt nicht gesehen wird.
„Die größten Unterschiede beim Gender Care Gap zeigen sich bei 34-Jährigen: In dieser Altersgruppe beträgt der Gender Care Gap 110,6 Prozent. Die Frauen verbringen täglich durchschnittlich fünf Stunden und 18 Minuten mit Care-Arbeit, die Männer dagegen nur zwei Stunden und 31 Minuten“, schreibt das Familienministerium zum zweiten Gleichstellungsbericht über den Gender Care Gap. Weiter heißt es da: „In Paarhaushalten mit Kindern fällt die meiste Care-Arbeit an – vor allem aufgrund der Kinderbetreuung.“ (Quelle)
Das ist natürlich falsch. Denn die meiste Carearbeit leisten Alleinerziehende, insbesondere solche mit kleinen Kindern, und bei ihnen zeigt sich auch der größte Gender Care Gap. Unser Familienministerium vergisst hier eine ganze Familiengruppe komplett, bei der es sich obendrein noch um eine besonders vulnerable Familienform handelt. Denn der Gender Care Gap einer Alleinerziehenden mit Null Unterstützung durch Expartner liegt bei unendlich.
Alleinerziehende Frauen sind doppelt betroffen: zum einen vom Gender Pay Gap, zum anderen vom Gender Care Gap. Und die Kombination dieser beiden strukturellen Benachteiligungen sorgt für Überlastung, Stress und Armut, was leider statistisch gesehen oft zusammenhängt – und das ist ja auch logisch, denn ständige Existenzsorgen stressen, und ohne Geld kann man auch keine Hilfe im Haushalt einkaufen, wenn einem schon freiwillig keiner hilft.
Um das mal mit konkreten Zahlen zu unterfüttern: die ersten Jahre als Alleinerziehende war ich am Wochenende und in den „Ferien“, also während der Schließzeiten der Kita, fast rund um die Uhr im Einsatz. Meine wöchentliche Sorgearbeitszeit betrug über lange Strecken mindestens 16 Sorgearbeitsstunden pro Tag, was mit einem Kleinkind natürlich illusorisch niedrig angesetzt ist, weil es nachts aufwacht. Und selbst an den Tagen, an denen die Kita geöffnet, war, verbrachte ich gut und gerne 7-8 Stunden mit Sorgearbeit.
Und selbst wenn andere Alleinerziehende nicht so extrem allein sind wie ich mit dem ganzen war, so kann sich leider nur eine Minderheit auf geteilte Sorgearbeit mit dem Expartner verlassen. Denn was vor der Trennung nur in Ausnahmefällen stattfand, wird hinterher auch nicht so einfach zu verwirklichen sein. Das liegt am Freiwilligkeitsprinzip, das bei der Carearbeit immer mitschwingt, und an der Frage, ob all dies rein private Entscheidungen seien. Das Thema Carearbeit stellt fast alle Familien vor große Herausforderungen, insbesondere aber die getrennten: Deren Gender Care Gap ist quasi gar nicht bezifferbar. Das bedeutet aber nicht, dass er komplett unter den Tisch fallen sollte.
Christine Finke
Für ihren „Mama arbeitet Blog“ wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet.
So wahr! Wir Alleinerziehenden werden einfach nicht gesehen von Politik und Gesellschaft. Es ist einfach nur traurig.
Ohne meine Familie im Hintergrund würde ich es ganz allein mit zwei kleinen Kindern nicht schaffen.
Ich arbeite von sechs Uhr morgens bis 21Uhr abends und schaffe trotzdem nicht alles…
Mein Vorschlag: Haushaltshilfen für alle Mütter die komplett allein sind (also ohne Ex, der ab und zu die Kinder nimmt)
Endlich mal jemand der der Öffentlichkeit sichtbar macht, das AE Frauen praktisch 29 Stunden am Tag für den Haushalt schuften. Es im Rahmen der Gleichstellung dringend notwendig, den benachteiligten AE Frauen, Kurse zur Verfügung gestellt werden, die sie in die Lage versetzen, ihren Haushalt so zu organisieren, das sie wie die Freien Männer, ihren Haushalt in nur fünf bis 30 Minuten pro Tag erledigen.
Weiter so liebe Cristine.
Frauen wie sie sind das Rückrad der Gesellschaft.
In der Diskussion um die „Care-Arbeit“ wird seltsamerweise lediglich über Haushaltstätigkeiten geschrieben, welche bevorzugt von Frauen verrichtet werden. Was ist denn mit dem Reparieren von Autos, Fahrrädern und Spielzeugen, was ist mit dem Schleppen von schweren Feldsteinen für Teich und Steingarten, was mit dem Bauen eines Baumhauses, dem verstopften Abfluss und den Zementsäcken, …? Die Aufzählungen zur „Care-Arbeit“ sind unvollständig und deshalb ohne Aussage. Wahrscheinlich erfand man auch deshalb diesen diffusen Begriff.
Alleinerziehende übernehmen den meist fehlenden aufgezählten männlichen Part mit und wenn sie nicht wissen, wie man Reifen wechselt, Spielzeug repariert und Baumhäuser baut, bringen sie sich das für die Kids selber bei. Frauen können fast alles, wenn sie müssen. Und wenn das Kind dann einmal lächelt, ist Mama für alle Mühen entschädigt. Zumindest muss sie das als ausreichend empfinden.
Also mich macht dieser Artikel ehrlich gesagt sehr wütend. Zu oft habe ich es im privaten bei Freundinnen miterlebt, dass diese jahrelang über ihre Beziehung und ihren Mann jammern und dann über ihr AE-Leben jammern und die damit verbundene Care-Belastung, obwohl sie es waren, die sich vom Mann trennten, obwohl diese in den Augen anderer (und auch in meinen) ein guter Fang waren. In deren Augen lag die Carearbeit ihrer Männer bei Null – war also ebenfalls unsichtbar – obwohl deren Männer im Vergleich zu anderen sogar recht gut dastanden (meist sogar neben einem 55h+ Job). Aber wenns dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis tanzen. Damit hatten sie sich erfolgreich eingeredet Opfer ihrer Männer, der Umstände, was auch immer zu sein und am Ende hatten sie in etwa die Situation der Autorin. Nämlich jede Menge Carearbeit ganz für sich alleine, keine Unterstützung durch einen Mann (weder finanziell noch emotional oder durch andere Tätigkeiten). Aber trotz der ganzen Jammerei passt die Situation für sie, denn sie gehen voll und ganz in ihrer selbstgewählten Opferrolle auf.
Ich jedenfalls bin froh über meinen Mann, der sich die Carearbeiten (jeder, was er eben gut kann) mit mir teilt (und dass ich das auch sehen und anerkennen kann). Insofern brauche ich keinen EqualCareDay. Ich war klug genug anzupacken, meinen Mann zu halten und nicht tag ein tag aus über mein Leben zu jammern.
Klar gibt es auch solche Frauen die immer unzufrieden sind um die geht es hier im Beitrag aber nicht. Und auch wenn eine Beziehung nicht mehr funktioniert, Männer trennen sich auch habe ich gehört oder Frauen flüchten aus Gewaltbeziehungen, obliegt die größte Last der Erziehung, Haushalt ,Reparaturen, Gartenarbeit und Finanzielle Versorgung alles bei dem Elternteil bei dem die Kinder leben.
Und besonderst schwierig und belastend wird es wenn der andere Elternteil meint sich ganz aus der Verantwortung zu ziehen und weder Unterhalt zahlt noch das Umgangsrecht wahr nimmt, genau dann bist du immer mit einem Fuß im Burn Out! Aber wir schaffen Es trotz allem!
Es gibt so vielfältige Geschichten von Alleinerziehenden, das ich eine Pauschalisierung mehr als ablehne!
Es ist einfach zu urteilen und sich als klug genug darzustellen ,wenn man nicht die Hintergründe kennt.
Wir Frauen müssen zusammen halten und nicht mit dem Finger aufeinander zeigen sondern Solidarität!
Hochmut kommt vor dem Fall, Luise. Ich hoffe, dass Dir deine kleine heile Welt nicht irgendwann auf und vor die Füße fällt. Aber ich bin sicher, sollte das doch passieren wirst du wenigstens nicht jammern.
Lieben Dank Frau Finke, wieder auf den Punkt gebracht. Grade weil ich in der Situation bin, dass mein Exmann die Kinder regelmäßig nimmt (er sie liebt und sehen will), kann ich fett unterstreichen, dass die CareArbeit 100% bei mir bleibt. Für folgende Dinge fühlt sich auch ein liebevoller, getrennt lebender Vater nicht zuständig: Schulprobleme, Vorsorgeuntersuchungen, Zahnspangen, Wäsche waschen, Auto & Fahrräder in Schuss halten, Geschenke für Kindergeb besorgen, Hobbys, Liebeskummer, jederzeit auf Abruf bereit sein, kranke Kinder pflegen zu jeder Tageszeit usw. usw.
Nebenbei ist noch das Familieneinkommen kein unerheblicher Faktor. Ich bin oft an meinen Grenzen, müde und erschöpft und kann verstehen, dass Frauen, die gar keine Pause bekommen krank werden von der Belastung und der fehlenden Anerkennung.