Zur Entstehung der modernen Hausarbeit in den Vereinigten Staaten.

Gastbeitrag von Gisela Bock.

Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Buch Geschlechtergeschichten der Neuzeit. Ideen, Politik, Praxis

Gerda Lerner, 1984, University of Wisconsin-Madison Archives

Vorbemerkung: In ihrem grundlegenden Sammelband ‚The Majority Finds Its Past‘ schloss Gerda Lerner auch einen Aufsatz von 1977 über die historische Figur der Hausfrau ein; zu dieser Zeit und spätestens mit diesem Text war die „unpaid labor of love“ zu einem wichtigen Thema der neu entstehenden Frauen- und Geschlechtergeschichte geworden. Einer gängigen Antwort auf die Frage „Arbeiten Sie?“, nämlich „Nein, ich bin bloß Hausfrau“, setzte Lerner entgegen: „Hausfrauen arbeiten tatsächlich.“ Und solange Frauen für unbezahlte Hausarbeit zuständig sind, werde sämtliche Frauenarbeit entwertet; dies sei geradezu die Wurzel des „Frauenproblems“, und auch die damals in den USA und Europa verbreitete Forderung nach „wages for housework“ verbleibe lediglich an seiner Oberfläche. Dass die überwältigende Mehrheit der Amerikanerinnen, kaum aber Männer, unbezahlte Hausarbeit verrichten, sei eine der wenigen Verallgemeinerungen, die sich über die Stellung von Frauen in der Gesellschaft machen lasse, ungeachtet von deren ansonsten höchst unterschiedlicher Situation. Zur Jahrtausendwende kam Lerner wieder auf dieses Thema zurück, diesmal aber mit Bezug auf den Platz der Frauen innerhalb der nunmehr neu entstehenden „World History“. In der Tat ist – trotz allen seitherigen Wandels und aller Unterschiedlichkeiten der globalen condition féminine – die häusliche, die Versorgungs- und Sorge-Arbeit sowie das, was man unter „labor of love“ zu verstehen pflegt, weltweit in der Regel die Aufgabe des einen Geschlechts (geblieben oder geworden): sowohl wenn sie im eigenen Haushalt unbezahlt, als auch wenn sie in einem fremden Privat- oder öffentlichen Haushalt gegen (meist schlechte) Bezahlung verrichtet wird, heutzutage oft im Kontext transnationaler Migrationsbewegungen. Als Lerner in den 1970er Jahren schrieb, tat sie das im Einklang mit einem internationalen Interesse an jenen Fragen und einem Forschungstrend, der nur wenige Jahre lang anhielt und für die nordamerikanische Geschichte zu mehreren Standardwerken führte. Standen sie anfänglich im Kontext der Geschichte von Arbeit, so später im Kontext der Geschichte des Sozialstaats. Bei Susan Strasser stand die technologische Entwicklung im Zentrum, bei Ruth Cowan „die Erfindung der Hausarbeit“ und bei Molly Ladd-Taylor die „Mutter-Arbeit“.
Ein bemerkenswerter Sprachwandel ergab sich: Im Englischen war nunmehr die Rede von „paid“ und „unpaid work“ (und nicht mehr nur von „work and family“), im Deutschen ebenso oder auch von „Erwerbsarbeit“ und „Hausarbeit“; beides galt nicht nur in der Wissenschaftssprache. Inzwi- schen ist der letztere Sprachwandel weitgehend rückgängig gemacht worden: Jedenfalls ist in der deutschen Medienöffentlichkeit praktisch nur noch von „Arbeit und Nichtarbeit“ oder „Arbeit und Zuhausebleiben“ die Rede. Vor diesem Hintergrund mag der folgende Text[auszug] aus dem Jahr 1976 vielleicht noch einmal Beachtung erfahren.

Home Makers, Suffrage Parade

Photo taken at the Woman Suffrage Parade held in Washington, D.C., March 3, 1913. (Source: Flickr Commons project, 2008)

[…] Dienstboten, Hausherrinnen und die Mechanisierung des Haushalts

Für den größeren Teil der weiblichen Bevölkerung blieb zur Zeit der frühen Industrialisierung und noch lange danach die Grenze zwischen häuslicher unbezahlter Arbeit und außerhäuslicher, bezahlter Arbeit fließend. Die Kategorie der häuslichen oder haushaltsnahen, aber (meist bescheiden) bezahlten Arbeit war sehr verbreitet. Dazu gehörte im 19. und frühen 20. Jahrhundert etwa der Beruf der selbständigen Näherin und Wäscherin, dann vor allem das Phänomen der ‚boarders‘ und ‚lodgers‘, Kostgänger und Inwohner, für welche die Hausfrau bezahlte Arbeit verrichtete. Eine weitere wichtige häusliche Einkommensquelle von Frauen waren die verschiedenen Formen gewerblicher Heimarbeit (’sweatshop‘), die erst seit den 1920er Jahren und vor allem in der Folge zahlreicher Frauenstreiks gegen die miserablen Arbeitsbedingungen allmählich abgebaut wurde. Die Veränderung in der weiblichen Familien- und Arbeitssituation in unserem Zeitraum ist also keineswegs lediglich die bekannte Verschiebung von unbezahlter häuslicher Arbeit zur zusätzlichen und entlohnten Arbeit als Teil der außerhäuslichen „labor force“, ein Weg, der gängigerweise, aber meines Erachtens zu Unrecht, als der einzig wahrhafte Weg der Frauenemanzipation angesehen wird. Vielmehr handelt es sich außerdem um zwei weitere einschneidende Verschiebungen: diejenige von bezahlter Arbeit im Haus zu bezahlter Arbeit außer Haus, und schließlich die von bezahlter Arbeit im Haus zu unbezahlter Arbeit im Haus. Die beiden letzteren Verschiebungen und ihre Konsequenzen für die Geschichte der Hausarbeit und der Hausarbeiterinnen zwischen dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und dem ersten des 20. Jahrhunderts lassen sich am Beispiel der häuslichen Arbeit der Dienstboten verdeutlichen, und zwar im Zusammenhang mit der beginnenden Mechanisierung des Haushalts.

Die Mechanisierung des Haushalts machte seit Mitte des 19. Jahrhunderts mächtige Fortschritte, wie der große Architekturhistoriker Siegfried Giedion umfassend gezeigt hat. Für eines der wichtigsten arbeitssparenden Geräte, die Waschmaschine, gab es in den 1860er Jahren 2.000 Patentanmeldungen. Ihre Wirkung bestand nun aber keineswegs, wie häufig angenommen wird, darin, dass nun die zuvor hart arbeitende Hausfrau zur ‚idle woman‘ wurde oder auch ‚freigesetzt‘ wurde für die sogenannten produktiven Berufe außer Haus. Vielmehr befanden sich die meisten mechanischen Haushaltsgeräte bis hin zur Jahrhundertwende in den Händen einer recht kleinen Gruppe von Wohlhabenden, die allerdings zahlenmäßig sehr schwer zu erfassen ist. In diesen Haushalten wurde ein großer Teil der Hausarbeit ohnehin und traditionell den Dienstboten übertragen, und die Hausherrin hatte nicht so sehr mit der häuslichen Arbeit selbst als mit der Aufsicht über die fast immer weiblichen und meist aus Übersee eingewanderten oder schwarzen (oft vom Süden in den Norden gewanderten) Dienstboten zu tun. (Für das 19. Jahrhundert kann man im Übrigen geradezu von einer Feminisierung des Dienstbotenberufs sprechen.) Die mechanischen Geräte der Frühzeit ersparten also nicht die Arbeit der Hausherrin, sondern die Arbeit von ‚Dienst‘- oder ‚Hausmädchen‘, von domestic servants (über deren vermeintliche Unfähigkeit, mit den neuen Maschinen umzugehen, oft geklagt wurde). Die Zahl dieser Hausangestellten verringerte sich bis in die 1920er Jahre drastisch, was – keineswegs nur in den USA – zu dem sogenannten ’servant problem‘ führte, der Verknappung des Angebots an Hausangestellten. Und in einer immer größeren Anzahl von Haushalten zog die Herrin es vor, die Hausarbeit selbst zu verrichten, wenn auch mit besseren Geräten als zuvor. Dies aber war der Übergang von der Hausherrin zur Hausfrau, von der Aufsicht über bezahlte Arbeit anderer Frauen zur eigenen unbezahlten Hausarbeit.

Aus der Perspektive der Dienenden war, wie ein Zeitgenosse 1906 schrieb, das ’servant problem‘ auch ein ’servant’s problem‘ – nämlich ein Problem nicht nur für die Herrschaft, sondern für die Dienstboten selbst: Niedrige Löhne, zum Teil in Naturalien beziehungsweise Kost und Logis ausbezahlt, lang ausgedehnte und vor allem nicht festgelegte Arbeitszeiten, Abhängigkeit von der Herrschaft auch im persönlichen Bereich, wohl auch eine beträchtliche Anzahl unehelicher Geburten – das war die Existenz der Dienstboten. Sie verfügten dagegen über zwei Mittel: Entweder wichen sie in einen anderen Beruf aus, und in diesem Fall waren es hauptsächlich Fabrikarbeit oder Prostitution, die ihnen offenstanden. Oder aber sie leisteten offenen oder versteckten Widerstand gegen die Ausbeutung an ihrem Arbeitsplatz Haushalt. Harriet Beecher Stowe (bekannt als Autorin von ‚Onkel Toms Hütte‘) und ihre Schwester Catherine E. Beecher beschrieben 1869, unter dem Titel ‚The American Woman’s Home‘, diese „resistance which democracy inspires in the working class“, womit sie die Aufsässigkeit der Dienstboten meinten: „Life became a sort of domestic wrangle and struggle between the employers […] and the employed […] and a common topic of conversation in American female society has often been the general servile war which in one form or another was going on in their different families – a war as interminable as would be a struggle between aristocracy and common people, undefined by any bill of rights or constitution.“ Die Mechanisierung bot der Hausherrin eine Lösung dieser Form von „class struggle“, oder schärfer ausgedrückt: Die Mechanisierung des Haushalts ergab sich nicht so sehr aus einem quasi-autonomen wissenschaftlich-technischen Fortschritt, sondern war auch eine Antwort auf das Verhalten der Dienstboten zu dieser Zeit, wie im Übrigen auch Giedion ausführt („The mechanization of the household had its starting point in social problems: the status of American women and the status of domestic servants“).
Die Frauen, die in den zwanziger Jahren Staubsauger in Fabrik- und Fließbandarbeit herstellten, mochten zuweilen dieselben sein, die kurz zuvor noch für die Herrschaft gefegt hatten. Ihre Löhne waren nun zwar höher als zuvor, reichten jedoch für eine anständige Existenz kaum aus. Aber Fabrikarbeit und später die Ehe eröffneten ihnen jetzt die Möglichkeit, einen eigenen Hausstand zu gründen, privat zu leben und unabhängig von der Herrschaft zu sein: Dies war der Weg von der entlohnten Hausarbeit in einem fremden Familienbetrieb zur unbezahlten Hausarbeit in der eigenen Familie, vom Hausmädchen zur Hausfrau.

Was sich am Beispiel des Verhältnisses von Mechanisierung und „servant problem“ zeigt, ist also ein Prozess, in dessen Verlauf sowohl aus der Hausherrin wie aus der Hausdienerin eine Hausfrau wird, die im eigenen Heim unbezahlte Hausarbeit selbst und „aus Liebe“ verrichtet. Dieser Prozess lässt sich beschreiben als eine tendenzielle Homogenisierung der Situationen von sozial ganz unterschiedlich gestellten Frauen in Bezug auf die Hausarbeit, Ergebnis nicht nur einer technisch-organisatorischen Modernisierung, sondern ebenso sehr konkreter sozialer Konflikte und Antagonismen – auch unter Frauen.  […] Diesen historischen Prozess resümierte 1973 John Kenneth Galbraith, ein scharfsinniger Soziologe und Ökonom: „Die Umwandlung der Frauen in eine auf unsichtbare Weise dienende Klasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Dienstboten für gesellschaftlich unterbewertete Arbeiten standen einst nur einer Minderheit der vorindustriellen Bevölkerung zur Verfügung; eine dienstbare Hausfrau steht jedoch heute auf ganz demokratische Weise fast der gesamten männlichen Bevölkerung zur Verfügung.“

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Gisela Bock

ist (emeritierte) Professorin für neuzeitliche Geschichte, insbesondere Frauen- und Geschlechtergeschichte.

Als Pionierin in diesem Feld begann sie 1976 mit einer Geschichte der modernen Hausarbeit und engagierte sich in der internationalen Kampagne für „Lohn für Hausarbeit“. Ab 2000 erschien ihr Buch „Frauen in der europäischen Geschichte“ in neun Sprachen und 2014 der Band „Geschlechtergeschichten der Neuzeit“. Arbeit und Armut stehen im Zentrum ihrer Forschungen.

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