Der Mental Load-Test für den Arbeitsplatz

(Test konzipiert von Patricia Cammarata + Almut Schnerring)

Beitrag von Almut Schnerring

›Mental Load‹ bezeichnet die Last der alltäglichen, unsichtbaren Verantwortung für das Organisieren von Haushalt und Familie im Privaten, das Koordinieren, Kümmern und Vermitteln in Teams im beruflichen Kontext sowie die Beziehungs­pflege und das Auffangen der Bedürfnisse und Befindlichkeiten aller Beteiligten in beiden Bereichen. Im vergangenen Jahr hat das Thema viel Aufmerksamkeit bekommen, im Privaten ist #MentalLoad Vielen inzwischen ein Begriff. Fernsehredaktionen haben unseren Mental Load Test für Familien (von Jo Lücke konzipiert), im Rahmen ihrer Dokumentationen zum Thema Familienarbeit genutzt, viele kommen zum ersten Mal mit ihrer*m Partner*in ins Gespräch über die Last und unfaire Verteilung all der täglich anfallenden unsichtbaren Arbeit.

Erkennbar ist das Interesse am Thema auch daran, dass Patricia Cammaratas Buch ‚Raus aus der Mental Load-Falle‚, im Sommer 2020 erschienen, direkt zum Bestseller geworden ist. Zahlreiche Social Media-Accounts nutzen den Hashtag und es wird offensichtlich, dass die Mental Load, die immer zur Care-Arbeit dazugehört, an vielen Stellen Beziehungen negativ beeinflusst, wenn sie nicht geteilt oder wenigstens gesehen wird. Und dass die Idee der ‚Vereinbarkeit‘ von Familie und Beruf unter aktuellen Bedingungen kein Konzept sondern eine Illusion ist, schlägt sich hoffentlich irgendwann auch in politischen Entscheidungen nieder.

Buch 'Raus aus der Mental Load Falle. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt' von Patricia Cammarata

Equal Care im Beruf

Doch Care-Arbeit und Mental Load fallen nicht nur im Privaten an. Trotzdem fehlt in vielen Unternehmen und Teams das Bewusstsein, dass es auch am Arbeitsplatz Personen gibt, die Verantwortung übernehmen für all die unsichtbaren oder wenig wertgeschätzten Arbeiten, die sonst liegenbleiben, weil sie in niemandes Arbeitplatzbeschreibung auftauchen.

  • Wer sieht, dass das Flipchart-Papier nicht reichen wird und holt rechtzeitig neues, wer schreibt Protokoll, wer schenkt Kaffee aus?

  • Wer stellt seine gebrauchte Tasse irgendwo ab, wer trägt sie immerhin bis in die Küche und wer räumt sie gespült wieder in den Schrank?

  • Wer organisiert die Dankes-Geschenke für externe Referent*innen?

  • Wer erinnert den Geburtstag des Kollegen, besorgt ein Geschenk und kümmert sich, dass alle auf der Glückwunschkarte unterschreiben?

Oft sind es die immer gleichen Per­sonen, die diese Aufgaben dann lieber direkt selbst übernehmen, denn zum Delegieren eigenen sie sich selten. Und so tragen auch die immer gleichen Personen auf unsichtbare Weise dazu bei, dass sich andere wohl­ fühlen, sie leisten Beziehungsarbeit und kümmern sich darum, dass das Team arbeitsfähig ist und Projekte vorankommen. Fortschrittlich eingestellte Unternehmen stellen dafür extra Menschen ein; die Position nennt sich ›Feel­Good­Manager*in‹. Diese sorgen dafür, dass das Arbeiten in allen Berei­chen nachhaltig verbessert wird. Sie sind dazu da, die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden aufzufangen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern. Früher hießen sie ‚Sekretärin‘, Kaffee Kochen, Hinterherwischen und Geschenk für die Gemahlin besorgen kam quasi mit der Jobbeschreibung. Sie wurde abgelöst duch die ‚Assistenz‘ – eine Aufwertung der Stelle, auch für Männer ehrenhaft genug und deshalb besser bezahlt, aber mit einem Haken daran:

Büroperle, gute Seele oder Office Mum?

Dieser Wandel hinterlässt eine Lücke. Die ‚Büroperle‘, ‚Seele der Firma‘, Donna unter den Harvey Specters (aus der Netflixserie ‚Suits‘) hat laut Vertrag andere Aufgaben, sie wird für das, was sie nebenbei so alles auffängt und leistet, nicht honoriert. Selbst wenn also ein Team für einen Teil der oben genannten Kümmer-Aufgaben jemanden hat, die*der dafür verantwortlich gemacht werden kann, dann gibt es darüberhinaus trotzdem viel unsichtbare Arbeit, die interessanterweise trotzdem nicht liegenbleibt, sondern von Zauberhand übernommen wird. Das ist praktisch, denn dann bleibt der Kopf frei für das, was auf dem eigenen Schreibtisch liegt.

„Und es scheint eine deutliche Parallele zu geben zwischen der Abschaffung der Sekretärinnen in den Büros und der Abschaffung der Hausfrauen in den Familien: Die Arbeit, für die sie früher zuständig und freigestellt waren, muss jetzt nebenbei, zwischendrin, zusätzlich gemacht werden, von allen.“

Antje Schrupp
Wer kocht diesen Männern Kaffee? 15.7.2018, Zeit Online

Nach der privaten Care-Arbeit (die weiterhin nicht annähernd fair verteilt ist, was langfristige Folgen hat, die weiterhin unterschätzt werden), nach der professionellen Care-Arbeit (deren Honorierung nicht annähernd angemessen ist), gehört jetzt die Mental-Load am Arbeitsplatz in den Fokus!

Am 1. März ist Equal Care Day

Alle, die bei den bisherigen Zeilen genickt haben, den eigenen Arbeitsplatz vor Augen hatten, spüren, dass dort etwas im Argen liegt, laden wir ein:

Am 1.März ist Equal Care Day – nutzen Sie den Aktionstag für ein Team-Meeting und packen Sie die Mental Load auf den Tisch! Drucken Sie für alle im Team jeweils ein Exemplar des ‚Mental Load @Work‘-Test aus, füllen Sie die Rückseite gemeinsam aus und kommen Sie im Anschluss ins Gespräch darüber. Denn der erste Schritt zur Lösung und faireren Verteilung ist, sich gemeinsam bewusst zu machen, dass es einen CareGap am Arbeitsplatz gibt.

Machen Sie die Mental Load und Care-Arbeit an Ihrem Arbeitsplatz sichtbar!