Unsichtbar, unsichtbarer, am unsichtbarsten. Könnte man das Wort unsichtbar steigern, wären sie wohl am unsichtbarsten im Bereich der Pflege: Young-Carer, wie sie in Großbritannien genannt werden, junge Menschen mit Pflegeverantwortung heißen sie oft in Deutschland. Es handelt sich um Kinder und Jugendliche, die Familienangehörige pflegen. Über einen langen Zeitraum hinweg, 20 Stunden und mehr in der Woche. Manche von diesen Kindern und Jugendlichen tragen die Hauptverantwortung für ihre kranke Mutter oder ihren kranken Vater oder andere Familienmitglieder.
Ich war auch eine von ihnen. Meine Mutter hatte Multiple Sklerose. Die Krankheit brach so richtig aus, als ich 7 Jahre alt war. Meine Mutter hatte einen schweren Verlauf. Wir waren 30 Jahre für sie da, bis sie zu Hause dann sehr plötzlich starb. Glücklicherweise waren wir mehrere, die sich die Pflege und alles was dazugehörte teilten.
Heute gibt es Studien und Zahlen. In Deutschland gibt es zurzeit mindestens 480.000 Young-Carer. Das heißt, dass im Durchschnitt 1-2 Kinder pro Schulklasse Familienangehörige pflegen. Viele von ihnen im Verborgenen. Einerseits nehmen sie sich selbst als solche nicht wahr, andererseits gibt es viele Gründe, warum sie im Verborgenen bleiben wollen.
Heute gibt es Initiativen und Institutionen, die Young-Carer sichtbar machen wollen und sie in ihrer Arbeit unterstützen und begleiten:
www.young-helping-hands.de
www.echt-unersetzlich.de
www.young-carers.de
www.pausentaste.de
www.johanniter-superhands.de
Ich würde gerne eine Session zu diesem Thema anbieten. Ich erhoffe mir davon, dass Young-Carer sichtbarer werden. Welche Wege kann es geben, damit pflegende Kinder und Jugendliche erreicht werden können. Wie können sie ermutigt werden, sich Unterstützung und Beratung zu holen. Welche Forderungen können wir für das Manifest des Equalcaredays formulieren?
Guten Tag Kussener,
mich beschäftigt das Thema Kinder in Familien mit zu pflegenden Angehörigen, speziell mit Behinderten Geschwister(n).
Ich meine mal gelesen oder gehört zu haben, dass es in England ein System gibt (Ausweise o.ä.), damit die Schule und Lehrer*innen, wissen, dass ihre Schüler*innen einen besondere Situation zuhause ausgesetzt sind und ggf. auch schon viel Verantwortung übernehmen.
Haben Sie darüber Kenntnisse, welche Sie mit mir teilen könnten?
Beste Grüße
Jenni Pfeffer-Möller
Antwort von Angela Kuessner:
Ja, es ist richtig, dass Young carers – junge Pflegende – in Großbritannien mehr und anders gesehen werden. Ihre Arbeit scheint anerkannter zu sein. Oftmals sind sie – nach unserem Wissensstand – mit einer Sozialstation im Ort/ in der Stadt verbunden. Dort werden sie beraten, es gibt angeleitete Peergroup-Treffen. Dort erhalten sie auch einen Ausweis, den sie in der Schule vorzeigen können. So wissen die Lehrkräfte um ihre häusliche Situation. Es gibt einen offiziellen Namen für sie: Young carers. Und es gibt jährlich ein Young-Carer-Festival. Dort kommen Kinder und Jugendliche, die pflegen, für ein Wochenende zusammen und tauschen sich aus, sie feiern miteinander und haben einfach eine sehr gute Zeit.
Hier ist ein Youtube-Film über das letzte Young-Carers-Festival.
https://www.youtube.com/watch?v=vOkKY82doEc
Und hier ein Youtube-Film zur Ermutigung in eine Young-Carer-Gruppe zu kommen.
https://youtu.be/Nh54Z1AC8aU