Entwicklung von Strategien und politischen Forderungen für ein Manifest

Die Workshops am Nachmittag des Equal Care Day 2020 in Bonn …

… bieten einen Einstieg in die unterschiedlichen Teilbereiche von Care und Sorgearbeit: Erfahrungsaustausch und Vernetzung, Informationen über die aktuellen Situation im jeweiligen Bereich. Das übergreifende Ziel der Workshops ist, konkrete Forderungen zu erarbeiten für ein gemeinsames Manifest.

Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen Ideal und Alltag: was müsste im jeweiligen Care-Bereich verändert, angestoßen, getan werden im Sinne der betroffenen Menschen und all jenen, die sich kümmern und engagieren – und von wem? Wie kann es gelingen, Sorgearbeit fair zu verteilen zwischen den Geschlechtern? Und wie könnte ein Dialog angeregt werden zwischen den Generationen? Wir wollen Care-Arbeit und Equal Care vom Ideal her denken und gemeinsam überlegen, welche konkreten Schritte notwendig sind, damit diese Ziele realisierbar werden.

Die Gastgeber*innen der Workshops von links der Nummerierung entsprechend

1. Geburt & Geburtshilfe

Gastgeberin: Daniela Erdmann · Rückblick

Schon mit der Geburt werden die ersten Weichen gestellt, die den weiteren Lebenslauf eines Menschen mitbestimmen. Wie kann dieser Start ins (Familien-)Leben gelingen für die Kinder, für die Gebärenden, Mütter, Väter, Hebammen und eventuell das medizinische Begleitpersonal? In der notwendigen Ruhe und ohne Zeitdruck, denn Stress führt viel zu oft und zu schnell zu unnötigen medizinischen Eingriffen, nicht abgesprochenen Handlungen und immer wieder zu physischer und psychischer Gewalt. Dazu gehört auch der Blick auf die Wochen danach: Wohin geht der Weg zurück in einen neuen Alltag: wer übernimmt welche Aufgaben? Und wie und von wem findet die junge Familie Unterstützung? Wer kümmert sich?

2. Familienarbeit & Kindererziehung

Gastgeber: Heiner Fischer · Rückblick

Das Ziel ist klar und für alle Beteiligten gleich: das Wohlergehen des Kindes. Welche Rolle spielen dabei Mütter, Väter, Tageseltern, Omas, Opas und pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen? Ganz am Anfang und in den kommenden Jahren? Und wie lässt sich dieses neue Familienleben vereinbaren mit den Anforderungen der Berufswelt und Gesellschaft, den eigenen Ansprüchen? Und weg vom Inidividuum: Was lässt sich tun gegen die nach wie vor strukturelle Benachteiligung von Familien, insbesondere von Müttern? Welche Anreize braucht es, dass sich Männer stärker einbringen in die Familienarbeit, in die menschenbezogene Care-Arbeit?

3. MentalLoad & SelfCare

Gastgeberin: Patricia Cammarata · Rückblick

Wer den Großteil privater (unbezahlter) Care-Arbeit übernimmt, meistens sind das Frauen, ist in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt, weil die Zeit fehlt für die eigenen Aus- und Fortbildung oder politisches und kulturelles Engagement. Dabei ist Zeit nur ein Faktor, vergessen wird gerne die sogenannte Mental Load, die Last der Verantwortung, also die Koordinationsleistung, Wissen und Überblick, was gerade ansteht und getan werden muss.
Ein zweiter, damit eng verknüpfter Aspekt, der alle Geschlechter betrifft: SelfCare, das Kümmern um sich selbst, die Fähigkeit und Möglichkeit, sich selbst nicht zu vergessen trotz all der Sorgearbeit. Nein sagen, damit es nicht noch mehr wird; Aufhören, bevor es weh tut, zum Arzt gehen, bevor es zu spät ist. Wer darf dabei welchen Part übernehmen und wie kommen wir gesamtgesellschaftlich gesehen raus aus den alten Rollenmustern, die Ihr das empathische Kümmern und Ihm das finanzielle Versorgen zuweisen?

4. Betreuung & Krankenpflege

Gastgeberin: Mireille Schauer · Rückblick

„Hauptsache gesund“? „Satt und sauber“? Das reicht offensichtlich nicht, den professionell Pflegenden und sorgenden Angehörigen nicht und den Betroffenen schon gleich gar nicht. Und doch ist in einem Pflegealltag, der zunehmend von Effizienz- und Leistungsgedanken geprägt ist, der sich um Fallpauschalen dreht, selten mehr möglich und oft nicht einmal das. Wer hier anders handeln möchte, muss dies auf Kosten der eigenen persönlichen Freiheit und Gesundheit tun, weil das Berufsleben, die öffentlichen Betreuungs- und Erziehungssysteme dafür keinen Raum lassen. Und so gerät ein wichtiger Aspekt von Care-Arbeit immer mehr aus dem Blick: die Hilfe zur Selbsthilfe, den Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben (wieder) zu ermöglichen.

5. Grundeinkommen & CareKonten

Gastgeberin: Karin Jurczyk · Rückblick

Care-Arbeit ist die Voraussetzung und Grundlage des Lebens, trotzdem wird fürsorgliches gesellschaftliches Engagement finanziell abgestraft: wer sich kümmert um die Familie, um eigene Kinder oder pflegebedürftige Angehörige und deshalb berufliche Aus- und Teilzeiten in Kauf nehmen muss, wer in meist gering honorierten Sorgeberufen arbeitet, ist oft nicht in der Lage, ausreichend und angemessen fürs eigene Alter vorzusorgen. Grundeinkommen und Zeitsouveränität, Transferleistungen oder ein Care-Konto … wie lässt sich verhindern, dass Sorgearbeit in die Altersarmut führt? Und wie kann es gelingen, dass sich Männer gleichberechtigt in die Care-Arbeit einbringen?

6. Fürsorgliche Unternehmen

Gastgeberin: Gertrud Hennen · Rückblick

Sorgearbeit ist keine private Entscheidung und Angelegenheit. Und es sind zuallererst gewinnorientierte Unternehmen, die von der privaten Care- und Reproduktionsarbeit profitieren, von der Arbeit gesunder, ausgeglichener, engagierter und gut ausgebildeter Mitarbeiter*innen. Doch welche fürsorgliche Rolle und Verantwortung übernehmen dabei die Unternehmen selbst, ihren Belegschaften gegenüber, durch ihre Waren- und Dienstleistungsangebote, in Kommunikation und Werbung, für die Gesellschaft und die Konsument*innen? Was ist der Beitrag der Unternehmen zum Gelingen einer (fürsorglichen) Gesellschaft?

7. Care & Umwelt

Gastgeberin: Hanna Völkle · Rückblick

Eigentum verpflichtet?! Wie also gehen wir um mit den Dingen, die wir selbst besitzen, leihen auf Zeit, die uns allen oder niemandem gehören, mit der Natur, mit Pflanzen und Tieren? Wasser, Luft und Erde werden in einer ähnlichen Weise für den eigenen wirtschaftlichen Vorteil genutzt und ausgebeutet wie die (nicht nur private) Care-Arbeit. Und hier wie dort sind es vor allem Frauen•, die sich engagieren und neue Impulse setzen. Kümmert uns das? Kümmern wir uns darum? Die soziale und die ökologische Frage, sie lassen sich nur gemeinsam lösen.

8. Altenpflege & Sterbebegleitung

Gastgeberin: Edith Kühnle · Rückblick

Wer pflegt und sorgt im Alter? Immer noch werden 2/3 der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt. In der Regel von Töchtern und Schwiegertöchtern, manchmal unterstützt durch professionelle Pflegekräfte. Pflegekassen und Politik fördern diese Variante, denn Frauen, die privat und unentgeltlich pflegen, gelten als günstig; das gilt im gleichen Maße für im Haushalt lebende Haushaltshilfen aus Osteuropa. Und wieder sind es die Frauen, die sich damit aus dem Beruf kegeln, sich aufreiben zwischen Beruf und Fürsorge zu Hause und keine eigene auskömmliche Rente haben werden. Wollen wir häusliche Care-Arbeit also zukünftig bezahlen? Wozu brauchen wir dann noch professionelle Pflegekräfte? Gibt es womöglich einen Zusammenhang zwischen Laien-Pflege und der Geringschätzung der professionell Pflegenden? Was also muss verändert werden, damit gute Pflege möglich wird, damit Alter nicht mit Last gleichgesetzt wird, damit Pflegende nicht (finanziell) abgestraft werden? Was muss geschehen, damit professionelle Pflege als hochqualifizierter Beruf wahrgenommen wird?

9. Manifest. Zusammenführung & Koordination

Uta Meier-Gräwe, Angela Häußler, Mara Brückner und Bettina Metz

Das übergreifende Ziel der Workshops ist es, konkrete Forderungen zu erarbeiten für ein gemeinsames Manifest. Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen Ideal und Alltag: was müsste im jeweiligen Care-Bereich verändert, angestoßen, getan werden im Sinne der betroffenen Menschen und all jener, die sich kümmern und engagieren – und von wem? Wie kann es gelingen, Sorgearbeit fair zu verteilen zwischen den Geschlechtern? Und wie könnte ein Dialog angeregt werden zwischen den Generationen? Wir wollen Care-Arbeit und Equal Care vom Ideal her denken und gemeinsam überlegen, welche konkreten Schritte notwendig sind, damit diese Ziele realisierbar werden.