Über die Belastung von Care-Arbeit zu sprechen ist weiterhin ein Tabu

Seit ein paar Wochen bin ich selber Mutter. Meine Mama ist gerade für eine Woche zu Besuch und ich bin dankbar, dass sie mich in dieser sehr anstrengenden Zeit unterstützt.

Ich bin 37 Jahre alt. Meine Mama sorgt also bereits 37 Jahre für mich. Jetzt natürlich nicht mehr so viel, wie es in Kindheit und Jugend notwendig gewesen ist, aber es kommt auch heute noch ab und an vor. So wie jetzt eben, in dieser Woche. Ich kann mal wieder in Ruhe duschen, und auch mal ein kurzes Nickerchen machen. Es ist gut und entlastend zu wissen, dass ich mich an sie wenden kann, wenn ich Unterstützung brauche. Oft wird das aber wohl nicht vorkommen, denn meine Mama wohnt nicht in der Nähe.

Nach meiner Geburt ist meine Mama erstmal zu Hause geblieben. Sie hatte dabei keine Unterstützung durch Großeltern oder meinen Vater. Mein Vater hat sich immer rausgehalten. An meiner Mama blieb ab dem Tag meiner Geburt die Fürsorge- und Erziehungsarbeit für mich ganz alleine hängen. Als ich in den Kindergarten gekommen bin, hat sie wieder angefangen zu arbeiten, erstmal nur in Teilzeit, später dann wieder in Vollzeit. Und trotzdem hat sie sich weiter um alles allein gekümmert: Mich in den Kindergarten bzw. Schule gebracht und wieder abgeholt, Arzttermine vereinbart und wahrgenommen, Kuchen für Geburtstagsfeiern gebacken, täglich Frühstück zubereitet und Essen gekocht, Haushalt erledigt, Schularbeiten gemacht, getröstet, gepflegt …

Gisela Schmitt, 67 Jahre
vorgestellt von Sabrina Schmitt

Wenn ich meine Mama danach frage, wie das eigentlich so war, dass sie trotz der Tatsache, dass sie ja verheiratet war, bei der Fürsorge und Erziehung für mich ganz auf sich alleine gestellt war, erzählt sie, dass sie manchmal schon verzweifelt gewesen ist. Sie hat darüber aber mit niemandem gesprochen, sondern sich selbst wieder aufgerafft. „Du schaffst das!“ hat sie sich gesagt, oder „Entweder du hilfst dir selbst, oder dir hilft niemand.“

Was sie da geleistet hat, wurde nicht gesehen. Sie sagt, „so war die Zeit einfach“. Auch mit ihren Freundinnen hat sie nicht darüber geredet, gedenke denn sich beschwert. Es galt das gesellschaftliche Diktum „Hausarbeit ist doch schön“. Erwartungen wie „Am Freitag muss fürs Wochenende geputzt werden“, wurden nicht hinterfragt. Mama hat dann also nach einer anstrengenden Arbeitswoche am Freitagnachmittag alles sauber gemacht und am Wochenende noch gebacken.

Es ist gut, dass ich als junge Mutter jetzt im Jahr 2020 prinzipiell die Möglichkeit habe, über die Belastung zu sprechen, die Care-Arbeit mit sich bringt. Und doch besteht diese Möglichkeit eigentlich nur theoretisch. Allein, wenn ich die Bilder von Mama-Bloggerinnen auf Instagram sehe, merke ich, da haben wir noch einen weiten Weg zu gehen. Diese Bilder sagen leider auch heute noch „Ach, komm schon, stell dich nicht so an, ist doch alles wunderschön und du tust es doch aus Liebe!“

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