Gastbeitrag von Christoph Fantini
Nur etwa 15 Prozent der Lehrkräfte an Grundschulen sind männlich – Tendenz sinkend. Nicht selten sind an Grundschulen gar ausschließlich Lehrerinnen beschäftigt.* Die Abwesenheit von Männern wirkt für Kinder nicht nur stereotypisierend in Bezug auf die eigentlich gewünschte Vielfalt von Geschlechterrollen, es fehlen auch für Jungen männliche Ansprechpartner in Situationen, in denen sie den Wunsch nach einem Gegenüber des gleichen Geschlechts äußern (z. B. im Sexualunterricht, auf Klassenfahrten oder in Vertrauensgesprächen).
Zur Veranschaulichung: Schüler*innen an Grundschulen wurden aufgefordert einen Lehrer zu malen (siehe unten). Die beiden linken gezeichneten Männer lassen durch Anzug und mit Aktenkoffern und Schlüsseln vollen Händen eher an den klassischen distanzierten Büromitarbeiter denken. Der Mann rechts hingegen wirkt mit offenen Armen und großem Lächeln zugewandt, empathisch, jugendlicher und auf Augenhöhe. Nur an der Schule des Kindes, das das rechte Bild gemalt hat, sind auch männliche Lehrer beschäftigt.*
Männlichkeitsentwürfe von Grundschulkindern. © Kristian Bunte, Hendrik Heide & Erik Schäfer 2013
Mitarbeiter-Pool für vorübergehende Einsätze in Grundschulen
Das Projekt „Rent a teacherman“ wurde 2010 gefördert durch die Senatorin für Kinder und Bildung in Bremen ins Leben gerufen, um dabei zu unterstützen, Kindern während der Schulzeit eine qualifizierte männliche Ansprechperson mit Lehrkraftfunktion zu bieten. Durch das Projekt wird ein wachsender Pool mit qualifizierten bzw. zu qualifizierenden Lehramtsstudenten aufgebaut. Grundschulen ohne männliche Lehrkräfte können hier Mitarbeiter für vorübergehende Einsätze, Mindestlaufzeit ein Jahr, anfragen. Inzwischen ist bereits eine wachsende Zahl von Absolventen in den ehemaligen teacherman-Schulen als examinierte Lehrkraft eingestellt worden.
Arbeit mit Kindern – „nichts für Männer“ ?
Die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig, von Co-Teaching, über AG-Leitungen, bis zu Einsätzen als Vertretungslehrkräfte von Studenten in den Abschlusssemestern. Die Mitarbeiter des Projekts treffen sich quartalsweise zu kollegialen Austauschtreffen und/oder inhaltlichen Weiterbildungen, z. B. zum Thema Sexualpädagogik. Jährlich wird das Projekt auch mit den Schulleiterinnen evaluiert. Die Ergebnisse zeigen die große Bedeutung des Projektes auf: Grundschulkinder in sonst „männerfreien“ Grundschulen verändern ihre Phantasien zu Genderstereotypen nachhaltig. Sie entwickeln z.T. sogar Motivation für eine eigene höhere Bildungslaufbahn, um dem „männlichen Vorbild“ nachzueifern. Und sie verabschieden sich von der in den „männerfreien“ Grundschulen besonders verbreiteten Vorstellung, dass die Arbeit mit Kindern „nichts für Männer“ sei.
Parallel zu den Einsätzen vor Ort entsteht für die Universität ein wachsender Korpus an bereits vielfältig genutzten empirischen Begleitforschungsmaterialien aus dem Projekt. So unter anderem bezüglich der oben genannten stereotypen Vorstellungen zu Geschlechterrollen, aber auch zu genderbezogenen Inszenierungspraxen von Lehrkräften und Hinweisen auf Themenkomplexe, deren pädagogische Vermittlung von einer gleichgeschlechtlichen Lehrkraft profitieren.
Das „Projekt Rent a teacherman“ wurde durch die Gender Equality Commission des Council of Europe in die „Compilation of good practices to promote an education free from gender stereotypes“ auf EU-Ebene aufgenommen.
Reichweite des Projekts im Jahr 2019:
12 Studentische Assistenzlehrkräfte (in 12 Schulen)
Ca. 300 erreichte Schüler/innen
Dr. Chistoph Fantini
Seit 2004 Lektor im Fachbereich Erziehungs- und
Bildungswissenschaften der Uni Bremen.
Seit 2010 Projektleiter und -initiator von „Männer in die Grundschulen / Rent a Teacherman“ in Kooperation mit der Senatorin für Bildung, Bremen
Kontakt: cfantini@uni-bremen.de
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