Gastbeitrag von HERR & SPEER.
Wie problematisch die Bilder sind, die wir selbst rund um das Thema Care-Arbeit in uns tragen, ist uns erst spät klargeworden. Ehrlich gesagt, ist diese Klarwerdung ein Prozess, in dem wir noch tief drinstecken. Es ist gar nicht so einfach, Muster, Erwartungen und Verhaltensweisen zu entlernen, die uns so „normal“ vorkommen, mit denen wir aufgewachsen sind, die wir nie infrage stellen mussten oder die ständig medial transportiert werden. Wenn wir das Wort „Putzkraft“ hören, denken wir nach wie vor zu oft automatisch an eine Frau – in der Regel an eine ausländische Frau. Das eine Mal, als ein Mann in Martins WG sauber gemacht hat, hat sich das fast merkwürdig angefühlt – so, als würde hier etwas stattfinden, dass gar nicht in unsere Welt passt. Vincents Frau war in den letzten Jahren auf verschiedenen Babyshowers eingeladen – partyähnlichen Zusammenkünften, bei denen einer werdenden Mutter Geschenke, aber auch Tipps und Tricks für den anstehenden Nachwuchs übergeben und vermittelt werden. Interessant nur: Es sind normalerweise keine Männer dabei – als hätten diese weder Teil an Kindeserziehung noch irgendetwas Nützliches dazu beizutragen.
Martin ist in einem kleinen mittelfränkischen Ort aufgewachsen. Damals in den frühen 1990ern kannte er keinen einzigen Mann, der zu Hause blieb und sich um Haus und Kinder kümmerte. Es waren ausschließlich Frauen. Der Vater war arbeiten. Martins Mutter musste sich als alleinerziehende Berufstätige mit dem Vorwurf der „Rabenmutter“ herumschlagen. Schließlich hatten andere Kinder vielfach ja eine Mutter zu Hause, die sich um Haushalt, Gartenpflege und Hausaufgaben kümmerte. Dieses Denken ist nicht nur auf den ländlichen Raum beschränkt. Vincents Mutter, die eine Karriere als Universitätsprofessorin einschlug, musste sich von gestandenen Professoren anhören, dass sie nicht an die Uni, sondern nach Hause zu ihren Kindern gehöre.
Lange sind uns diese Muster nicht sonderlich aufgefallen. Und selbst nachdem wir angefangen haben, etwas mehr darüber zu lernen und mit etwas offeneren Augen durch die Welt zu gehen: es ist und bleibt bequem und einfach für Männer den Weg der geringsten Reibung zu gehen – und sich von der Care-Arbeit fernzuhalten. Wer als Mann nicht aufräumt, nicht kocht, keine Wäsche macht (Vincent hatte einen Kommilitonen, der seine schmutzige Wäsche alle paar Wochen per Paket zu seiner Mutter zum Waschen geschickt hat) oder keine Elternzeit nimmt, fällt nicht auf. Im Gegenteil. Wenn wir als Männer mithelfen beim Aufräumen oder Abspülen nach einer Party, bekommen wir dafür viel jedes Mal ein Kompliment. Bei Männern fällt diese Arbeit auf, bei Frauen ist sie weder bemerkens- noch lobenswert.
Wenn wir diese Ungleichheit und Ungleichbehandlung sehen, wenn wir uns die Macht der Bilder in unseren Köpfen vor Augen führen, dann stößt uns das auf. Auch wenn Fortschritt in Sicht sein mag, so bleibt es doch noch ein ganz Stück Wegstrecke zu einer gerechteren Verteilung von Care-Arbeit. Hier haben besonders wir Männer noch viel zu tun und zu lernen. Ein paar Ideen zum Starten:
Vincent-Immanuel Herr
und Martin Speer
Martin Speer nimmt am 29. Februar als Referent an der Equal Care Day-Konferenz teil.
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