Interview von Viola Franziska Bender.
Sie haben im Laufe Ihrer bisherigen Amtszeit bereits unter anderem das Angehörigen-Entlastungsgesetz auf den Weg gebracht, außerdem die Grundrente. Und Sie setzen sich für verbesserte Arbeitsbedingungen in der Pflege ein. Was hat Sie auf persönlicher Ebene zu den oben genannten (Care) Themen gebracht?
Ich weiß, dass für viele Menschen in Deutschland das Thema Pflege immer mehr im Alltag eine Rolle spielt. Das liegt daran, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und eigentlich fast jeder in der Familie Angehörige hat, die auf Hilfe im Alltag und Pflege angewiesen sind, um menschenwürdig zu leben – sei es in den eigenen vier Wänden oder in Pflegeeinrichtungen. Mit dem Thema Pflege bin ich in jungen Jahren während meiner Zivildienstzeit in Berührung gekommen. Später habe ich selbst meine Mutter in ihren letzten Lebenswochen gepflegt und erlebt, wie herausfordernd das ist – emotional und körperlich. Und weil ich auch erlebt habe, wie wichtig professionelle Pflege ist, liegt mir die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten – viele davon Frauen – am Herzen. Es ist wichtig, dass wir mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz einen ersten Schritt getan haben, um die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflegbranche zu verbessern.
Die ungleiche Verteilung der privaten Sorgearbeit – wie auch in der jüngst veröffentlichten Oxfam Studie »Time to Care« illustriert wurde – bedeutet für viele Frauen eine große Einschränkung. Sie haben schlicht weniger Zeit für berufliches Fortkommen, aber auch beispielsweise für politisches Engagement. Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um dieses Missverhältnis auszugleichen?
Zunächst ist ein wichtiger Schritt, dass wir im 21. Jahrhundert endlich dahin kommen, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden. Das ist längst überfällig. Aber es muss auch ein Umdenken innerhalb von partnerschaftlichen Lebensformen stattfinden, anfallende Arbeit fairer zu verteilen. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder der Haushalt macht bei Frauen 45 Prozent an der Gesamtarbeitszeit aus. Bei Männern sind es nur 28 Prozent. Zugleich arbeiten Frauen gut viermal so häufig Teilzeit wie Männer – alles, um Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Die Folge sind geringere Aufstiegschancen, niedrigere Stundenlöhne – und später niedrigere Renten. Das muss sich ändern. Zum anderen müssen die Rahmenbedingungen im Berufsalltag familienfreundlicher werden, etwas durch flexiblere Arbeitszeiten, Arbeitsorte und bessere Bezahlung durch mehr Tarifbindung in unserem Land.
In dem kürzlich veröffentlichten SPD-Positionspapier „Ein Wegweiser in die Selbstverständlichkeit – Gleichstellung in allen Lebensbereichen“ vom 10. Dezember 2019, möchten Sie und Ihre Genossen u.a. ein/e Bundesinstitut/-stiftung „zur Förderung von Frauen in Gesellschaft, Politik und Parlamenten, in Wirtschaft und Wissenschaft“ errichten. Darüber hinaus setzt sich Ihre Partei für einen Aktionsplan für die Gleichstellungspolitik der gesamten Bundesregierung ein. Wird in diesen beiden Vorhaben der Gender Pay Gap ebenfalls eine Rolle spielen?
Natürlich! Gleichstellung kann es nicht geben ohne gleiche Bezahlung unabhängig vom Geschlecht.
Care-Arbeit spielt in mehreren Ministerien eine wichtige Rolle, auch im Gesundheits- und im Familienministerium. Findet hier eine regelmäßige Zusammenarbeit statt? Und wie lässt sich verhindern, dass eine vermeintliche Lösung in einem Teilbereich zu größeren Problemen in einem anderen Care-Bereich führt?
Das ist ein ganz wichtiges Thema. Wir haben ja mit der gemeinsamen Konzertierten Aktion Pflege gezeigt, dass wir uns eng abstimmen, weil wir gemeinsam den Anspruch verfolgen, dass es endlich deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche gibt. Wir alle in der Bundesregierung prüfen die Auswirkungen unserer Initiativen umfassend, um zu konkreten Verbesserungen für die Menschen zu kommen.
Ihre Partei und auch Sie persönlich haben sich bereits am Zukunftstag »Girls’ Day« beteiligt. Auch in diesem Jahr bieten Sie wieder einer Bewerberin die Möglichkeit, einen Einblick in den Politikalltag zu erhalten. Zudem bildet seit dem vergangen Jahr (zum ersten Mal bei Ihrer Partei) eine Frau und ein Mann als eine Doppelspitze den Vorsitz. Was kann Ihrer Meinung nach noch getan werden, um mehr Frauen für politische Arbeit zu gewinnen bzw. um eine Chancengleichheit zu sichern?
Wie bei der Gleichstellung in der Privatwirtschaft, brauchen wir ein Bündel an Maßnahmen. Dazu gehören weibliche Rollenvorbilder auf allen politischen Ebenen, um junge Frauen für politisches Engagement zu gewinnen. Wir brauchen in den politischen Parteien Mentoring-Programme und Arbeitsformen, die es erlauben, politische Arbeit und Familienleben besser miteinander zu vereinbaren. Darüber hinaus befürworte ich Parité-Gesetze, wie sie bereits in Brandenburg und Thüringen eingeführt wurden.
Wie schaffen Sie es als Bundesminister und als Vater von zwei Kindern, Familie bzw. Care-Arbeit mit ihrem Beruf zu vereinbaren? Ist die Arbeit als Minister und als stellvertretender Parteivorsitzender familienfreundlich?
Nein, diese politischen Aufgaben sind oft nicht familienfreundlich zu erledigen. Aber ich versuche durch gezielte Terminplanung so viel Zeit wie möglich mit meiner Frau und meinen Kindern zu verbringen. Meine Kinder sind noch relativ klein und gehen zur Kita und zur Grundschule. Ich will sie ja nicht erst wiedersehen, wenn sie die Schule verlassen. Mir ist aber bewusst, dass die häusliche Sorgearbeit trotz allem von meiner ebenfalls berufstätigen Frau geleistet wird – wofür ich sehr dankbar bin.
Ich wünsche mir, dass wir auch einmal Lebensphasen haben werden, in denen ich mehr Zeit für Familie und häusliche Arbeit haben werde. Es wird aber nach Lage der Dinge noch einige Jahre dauern.
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