Gastbeitrag von Antje Schrupp.
Für manche Tätigkeiten bekommt man keine Bezahlung, sondern ein Honorar. Anwältinnen, Ärzte oder Architektinnen zum Beispiel werden für ihre Arbeit „honoriert“, ebenso Leute, die Vorträge halten, Artikel schreiben, auf Podien sitzen. Das Wort kommt von „Ehre“ und weist darauf hin, dass es nicht allein um ein schnödes Tauschäquivalent geht, bei dem sich ein Preis betriebswirtschaftlich aus den eingesetzten Kosten und einer Gewinnmarge kalkulieren lässt, sondern dass auch noch etwas nicht-Materielles mitschwingt, etwas, das mit Anerkennung, Engagement und Beziehungen zu tun hat. Mit „Care“ letzten Endes.
So ist es kein Wunder, dass auch im Bereich von Care-Arbeit im engeren Sinne gerne eine entsprechende Vision mitklingt, wenn zum Beispiel mehr „Wertschätzung“ für diese Arbeit eingefordert wird. Und tatsächlich ist es eine schöne Idee: die Vorstellung, dass der Zweck einer Tätigkeit nicht das Geldverdienen ist, sondern der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun: Etwas zu sagen, jemanden zu heilen, Wissen zu verbreiten, dem Recht zur Geltung zu verhelfen.
Zu Honorartätigkeiten gehört also ein bisschen Pathos. Genau das ist aber auch das Problem. Was auf dem Basar gut und stimmig ist – nämlich um den angemessenen Preis einer Ware zu feilschen – ist bei Honoraren schwierig. Honorarverhandlungen drücken diesen Tätigkeiten den Stempel des Banalen und „Kleinkrämerischen“ auf.
Tatsächlich sind deshalb auch bei den traditionellen „Honorarberufen“ Verhandlungen gar nicht nötig: Bei Architekten, Ärztinnen, Anwälten richtet sich die Höhe des Honorars nach einer gesetzlich festgelegten Gebührenordnung. Ende der Debatte. Es gibt hier keinen Markt, und den Klient*innen bleibt gar nichts anderes übrig als das „übliche“ Honorar zu bezahlen. Oft erfahren sie erst auf der Rechnung, wie hoch das eigentlich ist.
Leider geht das nicht allen so. Freiberufler*innen etwa, die sich auf dem freien Bildungs- und Kulturmarkt bewegen, können nicht einfach Rechnungen in einer „festgelegten“ Höhe schreiben, sondern sie müssen das von Fall zu Fall aushandeln. Sie bewegen sich also durchaus auf einem Markt, und die Brandbreite für ein Vortragshonorar reicht von einem netten Händedruck bis hin zu mehreren tausend Euro. Und erst recht gilt das für klassische Care-Berufe wie die Pflege, wo es ganz klar um betriebswirtschaftliches Kalkül geht.
Wer also von „honorablen“ Tätigkeiten leben möchte, muss über das Honorar verhandeln: Wie hoch ist mein Aufwand, wie groß meine Expertise, wie prominent bin ich, wie dringend will man mich buchen, mit anderen Worten: Rentiert sich das für mich? Dies sind keineswegs ehrenrührige Fragen, sondern vernünftige.
Allzu häufig verschleiert der Hinweis auf die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit eben nur notdürftig, dass es eigentlich darum, geht, an der Bezahlung zu sparen. Zum Beispiel, wenn Buchautorinnen mit dem Argument heruntergehandelt werden, eine Lesung wäre doch schließlich Werbung für sie. Wirtschaftlich zieht das Argument allerdings höchstens, wenn die Veranstalter mindestens ein Publikum von 500 Menschen oder mehr zusammenbringen.
Auch Hinweise auf die „gute Sache“ oder den „Spaß an der Arbeit“ gehen am Kern der Sache vorbei. Dass etwas „Spaß“ macht oder sinnvoll ist, ist noch lange kein Grund, deshalb auf Geld zu verzichten. Wenn Autorinnen oder Publizistinnen, Pflegekräfte oder Erzieherinnen Sinn in ihrem Beruf finden, spricht das in keinster Weise gegen eine gute Belohnung. Denken wir einfach nochmal an die üppigen Honorare für Architekten, Anwältinnen und so weiter: Sie beweisen ja wohl, dass Geld, Sinn und Spaß sich allerbestens miteinander vertragen.
Es ist aber immer hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, dass man bei „Honorartätigkeiten“ nicht auf einem Markt ist, der mit knappen Gütern kalkuliert. Viele rechnen hier nämlich falsch und kalkulieren so: Je mehr ein Auftrag ihnen selbst am Herzen liegt, umso weniger Geld müssen sie dafür verlangen. So als wären sie durch den „Spaß“ praktisch schon teilweise entschädigt.
In Wahrheit ist es aber genau umgekehrt: Je mehr mir eine Sache am Herzen liegt, umso engagierter, kompetenter, besser bin ich vermutlich darin – und umso mehr ist es also gerechtfertigt, dafür gutes Geld zu verlangen! Wenn also wieder mal jemand behauptet, dass Frauen einfach besser seien im sich Kümmern und Sorgen, weil sie das in ihren Genen haben oder zumindest von klein auf geübt, dann sollte das ein Argument dafür sein, die Forderungen noch etwas nach oben zu schrauben: Denn müssten für eine lebenslange Expertise nicht sogar besonders hohe Honorare anfallen?
Die Schwierigkeiten bei Honorarverhandlungen oder auch bei Tarifauseinandersetzungen im professionellen Pflegebereich sind also zwar lästig, aber letzten Endes auch ein gutes Zeichen. Früher säuberlich getrennte hierarchische Kategorien sind durcheinandergeraten. Solche Diskussionen sind also auch immer eine gute Gelegenheit, um überkommene Privilegien sichtbar zu machen wie zum Beispiel darauf, dass es keineswegs „generös ist“, wenn ein festangestellter Uniprofessor auf ein Vortragshonorar verzichtet. Er kann es sich halt leisten.
Wir verstehen heute besser, dass sich die unterschiedlichen Logiken von „Lohn“ und „Honorar“ nicht eindeutig bestimmten Berufsgruppen zuordnen lassen. In jeder Tätigkeit gibt einen schnöden, materialistischen Aspekt, und einen hehren, idealistischen – beim Planen eines Hauses ebenso wie beim Putzen desselben. Jeder Mensch, der etwas „für andere“ tut, hat sowohl Honorar (also Ehre, Anerkennung, Wertschätzung) als auch Bezahlung (Geld, einen materiellen Gegenwert) verdient. Es ist falsch, das eine gegen das andere auszuspielen.
Und über ein kleines Geschenk obendrauf, etwa in Form von Blumen, Wein oder Schokolade freut sich die Keynote-Speakerin genauso wie der Postbote oder die Krankenpflegerin. Jedenfalls dann, wenn es nicht als Entschuldigung oder gar Ersatz für eine lausige Bezahlung herhalten muss.
Antje Schrupp
In ihrem Blog „Aus Liebe zur Freiheit“ sammelt sie „Notizen zur Arbeit der sexuellen Differenz“: www.antjeschrupp.com.
Hinterlassen Sie einen Kommentar